Aus Schytomir zu JYSK nach Bingen - eine ukrainische Kollegin erzählt
Auf der Flucht vor dem Krieg - aus Schytomir nach Bingen
Alina Zabela ist 31, Mutter einer bald dreijährigen Tochter und kommt aus Schytomir in der Ukraine, einer Großstadt im Norden des Landes, rund 100 Kilometer von der Hauptstadt Kiew entfernt. Momentan lebt sie in Bingen am Rhein und arbeitet im dortigen JYSK-Store.
Wir haben Alina, Store Manager Jan Oliver Schluschaß, Deputy Store Manager Marc Müller und District Managerin Sonja Alina Möll zu einem Gespräch getroffen.
GOJYSK: „Alina, wir wissen, dass dies eine besondere und schwierige Zeit für dich ist. An dieser Stelle herzlichen Dank, dass du uns die Möglichkeit zu einem Gespräch gibst. Wie geht es dir und deiner Familie?“
Alina: „Ich bin hier mit meinem Kind, meiner Mutter und einer Tante. Uns geht es gut. Mein Mann ist in der Ukraine geblieben. Er arbeitet und unterstützt die Armee freiwillig im Bereich Logistik.“
GOJYSK: „Seit wann bist du schon bei JYSK und was hast du in der Ukraine gearbeitet?“
Alina: „Ich arbeite seit 9 Jahren für JYSK und war Store Managerin in einem der beiden Stores in Schytomir, bevor ich hierherkam. Davor habe ich studiert.“
GOJYSK: „Wie kamst du zu JYSK?“
Alina: „Ich habe in einem anderen Handelsunternehmen gearbeitet, da war ich 22 Jahre alt, aber das Geschäft wurde geschlossen. Meine ehemalige Vorgesetzte hat mich auf JYSK aufmerksam gemacht und meinte, dass es mir dort vielleicht gefallen könnte. Ich habe mich vorgestellt und konnte direkt am nächsten Tag anfangen. Das war der Eröffnungstag „meines“ Stores in Schytomir, ich bin also seit Tag Eins dabei und dem Geschäft und dem Team sehr verbunden.“
GOJYSK: „Wie hast du dich im Store entwickelt?“
Alina: „Das ging von Verkäuferin über Hauptkassiererin bis hin zur Store Managerin.“
GOJYSK: „Wann hat es sich abgezeichnet, dass du die Ukraine kriegsbedingt verlassen musst?“
Alina (kämpft mit den Tränen): „Am 23. Februar hatte ich Geburtstag und alles schien noch ok. An dem Tag hatten wir auch noch einen „Attractive Store Visit“, auf den wir uns vorbereitet hatten und den wir gut absolviert haben. Ich hatte mich gefreut, am nächsten Tag wieder zur Arbeit zu gehen, aber um 5 Uhr morgens hat mich mein Mann geweckt und meinte, dass wir hier wegmüssten. Schytomir ist ja nicht weit von Kiew und die ersten Einschläge und Gefechte kamen näher. Der Krieg hatte begonnen.“
GOJYSK: „Wohin ging es dann?“
Alina: „Zunächst zu den Eltern meines Mannes. In deren Dorf war noch alles ruhig, aber nach einer Woche wurde der Ort auch beschossen. Wir sind dann zur polnischen Grenze. Dort hat eine Tante, die hier in Bingen lebt, mich und mein Kind abgeholt. Später kamen meine Mutter und meine andere Tante nach. Meine Tante hat zwei Häuser hier in Bingen und ich wohne jetzt mit Zlata, meiner Tochter in einer der Wohnungen.“
GOJYSK: „Wie kam der Kontakt zu JYSK in Bingen zustande?“
District Managerin Sonja schaltet sich ein: „Die Retail Manager haben Listen mit ukrainischen Kolleg:innen bekommen, die nach Deutschland geflüchtet sind. Zusammen mit HR Director und Mitglied des Country Management Teams Alois Over und Albina Hodlevska, einer weiteren ukrainischen Kollegin, die im Regional Head Office im Bereich Loss Prevention arbeitet, wurden sie den einzelnen Stores zugeordnet.
Am Anfang gab es viel Lauferei mit den Ämtern, bei der wir Alina unterstützt haben. Alle möglichen Anmeldungen und Bescheinigungen beibringen, den Arbeitsvertrag vorlegen – das war schon ein großer Aufwand. Da war es hilfreich, dass Alina hier Familie hat, denn die gesamte Korrespondenz mit den Ämtern läuft auf Deutsch.“
„Schnell, schnell wieder arbeiten“
„Schnell, schnell wieder arbeiten“ fügt Alina auf Deutsch und mit einem Lachen hinzu. Im Store ist sie Sales Assistant und verkauft „am liebsten alles – bis auf Matratzen, da klappt es mit der Beratung aus sprachlichen Gründen noch nicht so gut.“
DM Sonja: „Wir hatten am Anfang großen Respekt vor der Situation. Wir haben hier keinen Muttersprachler und auf Englisch funktioniert es auch nicht. Und es geht nicht nur um das Sprechen, sondern auch um Schreiben und Lesen. In der Ukraine wird ja das kyrillische Alphabet genutzt. Wir waren unsicher, welche Aufgaben wir Alina geben konnten. Aber irgendwie hat alles vom ersten Tag an geklappt mit der Verständigung und sie hat sich in Windeseile eingearbeitet.“
GOJYSK: „Wie funktioniert es denn generell mit der Beratung in einer fremden Sprache?“
Alina: „Das Handy ist mein bester Freund. Ich habe eine App, da kannst du auf Deutsch oder Ukrainisch reinsprechen und die App übersetzt und zeigt den Text an. Klappt nicht immer zu 100%, aber meine Kollegen helfen mir dann.“
GOJYSK: „Wie unterscheidet sich die Arbeit in Deutschland von der in der Ukraine?“
Alina: „Zuallererst ist das Storekonzept hier ein anderes. In der Ukraine haben wir überall 3.0, hier in Bingen ist es noch das FA-Konzept. Ansonsten ist es vergleichbar. Wir arbeiten in der Ukraine auch mit Storefront, Konzepten, MYJYSK, Tasks, Timeplan und wir haben bereits ein paar Tools, die es in Deutschland noch nicht gibt.“
"Wir würden sie am liebsten behalten"
Store Manager Jan Oliver: „Wir profitieren auch von Alina, weil sie sich in den ganzen JYSK-Systemen extrem gut auskennt. Konzepte, Arbeitsweisen, Abläufe – was dort schon seit Jahren so läuft, wie es bei uns erst vor einiger Zeit Einzug gehalten hat. Ihre große Erfahrung hat sie in den letzten beiden Wochen beim Umbau in Ingelheim auf SC 3.0 einbringen können.“
Alina: „Das war eine interessante Erfahrung und hat Spaß gemacht.“
DM Sonja: „Alina ist ein echter Wirbelwind und es macht großen Spaß zu sehen, wie sie sich auf der Fläche bewegt, wie sie mit Kunden spricht – per Handy und Sprachapp, mit deutschen Brocken oder mit Händen und Füßen – die Kunden lieben sie.“
Deputy Store Manager Marc: „Die Kunden haben viel Verständnis für Alinas Situation und gehen ganz unbefangen mit ihr um. Sie sprechen in ihr Handy, Alina spricht zurück und kann dann Fragen beantworten und beraten – das macht sie vom ersten Tag an ganz toll.“
Sonja: „Wir würden sie am liebsten behalten!“
GOJYSK: „Hast du Kontakte zu anderen ukrainischen Kolleginnen in Deutschland?“
Alina: „Ja, klar. Wir hatten in der Ukraine eine Store Manager-Gruppe und halten auch hier den Draht zueinander. Am letzten Wochenende hat mich meine Kollegin Svetlana besucht, die im Store in Pfungstadt arbeitet. Wir sind spazieren gegangen und haben uns Bingen und Rüdesheim angesehen.“
GOJYSK: „Wie kommt deine Tochter mit eurer besonderen Situation klar?“
Alina: „Die meiste Zeit ist sie ganz unbeschwert, aber sie fragt natürlich oft nach ihrem Papa und wann es in den Kindergarten geht. Dort habe ich sie schon angemeldet und sie ist auf einer Warteliste für einen freien Platz. Hallo, danke, bitte, Schokolade, das klappt schon gut auf Deutsch (lacht).“
GOJYSK: „Apropos Schokolade, wie kommt ihr mit dem deutschen Essen zurecht?“
Alina: „Es ist gut, aber zuhause haben die Eltern meines Mannes einen kleinen Bauernhof und wir können uns mit Obst und Gemüse in Bio-Qualität selbst versorgen. Es gibt dort auch Hühner und Gänse und eine Kuh (lacht).“
GOJYSK: „Wie schaust du in die Zukunft? Wie soll es weitergehen?“
"Ich will mein Leben zurück"
Alina: „Ich will zurück in die Ukraine. Ich hatte mein ganzes Leben dort. Ich will es zurück. Noch finden allerdings Kampfhandlungen in der Nähe meiner Heimat statt und das Kriegsrecht wurde bis Ende August verlängert. Ich werde wohl noch einige Zeit hier sein.“
GOJYSK: „Gibt es etwas, was du deinen deutschen Kolleg:innen noch mitteilen möchtest?“
Alina: „Ich bin so sehr dankbar, dass JYSK uns die Möglichkeit gegeben hat, in Deutschland zu arbeiten. Das Unternehmen unterstützt uns großartig und die JYSK Values werden hier wirklich gelebt. Vielen Dank auch an meine Kolleginnen und Kollegen hier in Bingen. Es ist ein schönes Gefühl, beruflich und vor allem menschlich eine solche Unterstützung zu bekommen. Und es kommt mir fast vor, als hätte ich bereits viele Jahre hier gearbeitet und fühle mich wohl – bis auf meine Sprachkenntnisse (lacht – und wischt sich eine Träne aus dem Auge). Vielen Dank, JYSK!“